Es war einmal: Der Dezember eine arbeitsreiche Zeit …
Ich wurde freudig erwartet. Als Highlight des weihnachtlichen Festes. Man bestaunte die Tänze, die funkelnden Kostüme, man lauschte den Geschichten.
Fast immer waren diese Auftritte auch für mich sehr schön. Da war sie da: Die Verbindung zwischen mir und dem Publikum. Da knisterte förmlich die Luft vor Freude und Spannung.
Das sind einzigartige, ja … magische Momente, die kaum in Worte zu fassen sind.
Es gab auch Ausnahmen. Ja... es gab auch furchbare Auftritte!
Das sind Shows, die nur “Arbeit“ sind. Da ist dann keine Magie und es gibt keine Funken die springen. An solch einem Abend vor vielen Jahren, kam eine alte Dame auf mich zu und sagte tröstend: “Das war sehr schön. Es waren nur Perlen vor die Säue.“
An diesem Abend saß ich dann erschöpft und weinend im Auto.
Aus solchen Situationen, so ärgerlich sie auch sind, habe ich immer viel gelernt.
Zum Beispiel, zu mir selbst zu sagen: “Wenn das hier niemanden interessiert, was ich mache, dann übe ich eben!“ Aus diesem Bewusstsein heraus, wandelte sich so mancher Auftritt doch noch zum Guten. Denn ich konnte meinen Tanz und mein Tun auf der Bühne wieder genießen. Ich hatte mir dafür selbst die Erlaubnis gegeben. Und auf einmal … wandelte sich auch die Stimmung im Publikum. Ich hatte losgelassen. Diejenigen die gerne wollten, durften in meine Welt kommen. Und immer mehr Zuschauer konnten sich dann auf meine Kunst einlassen.
Überhaupt, habe ich in den vielen Auftrittsjahren gelernt, mich eher auf die Menschen zu konzentrieren, die meine Show sehen wollten. Die aufmerksam waren und ja: die sich benehmen konnten. Diejenigen die das nicht konnten, wurden manchmal direkt vom Publikum in die Schranken gewiesen. Was meistens wirkungsvoll war.
Einige Male musste ich die “ausziehen ausziehen“ - Brüller auf die Bühne bitten, so dass sie mit ihrer einfallsreichen Idee schon mal beginnen konnten …
Das war dann eine peinliche Situation, aber nicht für mich - die Lacher waren auf meiner Seite.
Auch musste ich wie ein Marktschreier gegen Bauarbeiterbrigaden anbrüllen. Ich wechselte von der geistreichen Geschichte zu den Schenkelklopfern.
Ich konnte umzingelt, von einer begeisterten Kinderschar mit grapschenden Fingerchen, kein Schritt mehr tanzen. Die kleinen hatten sich gemeinerweise auch noch in zwei Gruppen geteilt. Die andere Gruppe nahm gerade meine Federfächer auseinander und sprang mit den tollen funkelnden Requisiten umher...
Während die Eltern entspannt an ihrem Weinchen nippten, mit der festen Überzeugung: Für die Kinderbtereuung ist ja jetzt die Künstlerin zuständig.
In einer Gaststätte wurde mir der Zutritt zu den Mitarbeiter Räumen nicht gestattet.
Ich sollte mich in der öffentlichen Toilette oder in der zu allen Seiten verglasten Veranda umziehen. Mitten in der Großstadt, hin zur Straße. Mein Einwand wurde mit den Worten.“Da guckt schon keiner.“ abgetan und jegliches Erklären und Bitten war zwecklos.
1000 € Kostüme und Requisiten auf dem Klodeckel? In einer engen Klokabine, in der man sich weder wenden noch drehen kann?
Ich habe mich für die Veranda entschieden.
Im dunkeln, unter den Fenster kauernd habe ich mich an- und umgekleidet und meine Assistentin bewachte die ebenfalls zum Teil verglaste Flügeltür zur feiernden Gesellschaft.
Von Besuchen oder gar Feiern in diesem Etablissement habe ich in den darauffolgenden Jahren immer sehr leideschaftlich und erfolgreich abgeraten.
Aber das war noch nicht alles... wenn ich schon mal aus dem Nähkästchen plaudere:
Ich habe gefroren wie ein Eiszapfen, weil die Künstlergarderobe ein durch Baumaßnahmen ungenutzter und ungeheizter Raum war.
Ich habe unzählige Male mit nackten Füßen und federleichtem Kostüm auf kalten Fliesen im zugigen Flur gestanden. Jeden Moment bereit, mit der Show zu beginnen, die immer wieder weiter nach hinten verschoben wurde.
Ich habe geschwitzt aus allen Poren, noch bevor ich auftreten durfte, weil mein Garderoben-Plätzchen ein Stuhl neben dem Backofen-im-Dauereinsatz war.
In einem Wellnessbad mit Saunalandschaft habe ich ebenfalls sehr geschwitzt, während mein Publikum fröhlich im Wasser planschte... Ich wundere mich noch heute, das ich da nicht umgekippt bin.
Ich habe auf eigene Feiereinladungen, Weihnachtsmarktbesuche und Familienfeste verzichtet, weil ich einen Auftritt hatte oder zur Probe musste...
Jetzt höre ich euch sagen: Warum hast du dir das alles angetan?
Und ich kann euch aus vollem Herzen antworten: Ich liebe meinen Beruf!
Ich liebe es, für andere Menschen, besondere Momente zu schaffen. Mein Anspruch ist immer hoch. Ich will mein Publikum immer erreichen.
Manchmal habe ich dabei eine Bauchlandung gemacht. Aber das Wichtigste war immer: Aufrappeln, Krönchen richten und weiter machen. Daraus lernen und besser werden.
Im nachhinein konnte ich über die meisten Situationen lachen. So ist das Leben.
Viele Dinge die mir wichtig sind, kläre ich mittlerweile im Vorfeld genau ab. Die eiskalte Umkleide kann so z.B. nicht mehr passieren.
Über die Jahre sind meine Shows größer und umfangreicher geworden. “Mozarts magische Reise“ oder “la Noche Espanola“ sind abendfüllende Programme. Dementsprechend haben sich auch die Buchungen und die Locations geändert.
Jedoch unvorhergesehne Dinge können immer passieren. Und Leute die sich nicht benehmen können, gibt es auch in 4 und 5 Sterne Hotels.
Ein gewisses Risiko wird es immer geben, wenn man sich in eine live Situation begibt.
Um so schöner ist es, wenn es gelingt. Dann motiviert mich mein Publikum zu Höchstleistungen. Wirft mir Bälle zu, die ich spielerisch und leicht auffangen kann. Dann beginnt ein einzigartiger Austauch zwischen mir und den Zuschauern. Dann fühle ich was ich tanze, was ich sage und was ich spiele. Dann bin ich ganz bei mir und ganz beim Publikum.
Der Dezember 2020 ist eine ganz neue Erfahrung. Kein einziger Auftritt. Und leider gibt es auch keine Weihnachtsmärkte und Fest-Einladungen, für die ich mal so richtig Zeit hätte.
Es macht mich schon traurig, die geschlossenen Theater, Restaurants und Hotels zu sehen.
Neulich las ich in Facebook einen Post in diesem Sinne: Wir sollten doch nicht rumheulen, schließlich gibt es zu Weihnachten Netflix und zu essen gäbe es auch genug.
Wirklich? Ist das Weihnachten? Sich vollfressen und Serien in Dauerschleife gucken?
Meiner Meinung nach, ist das der beste Weg um krank, unzufrieden und unglücklich zu werden.
Vor ein paar Tagen erreichte mich eine Mail von einer Agentur die noch Ideen für digitale Weihnachtsfeiern suchte. Ich begann mir die Situation vorzustellen:
Jeder sitzt allein auf seinem Sofa mit einer Tüte Chips in der Hand und alle glotzen in ihren Bildschirm. Während ein Künstler, auch irgendwo allein, so vor sich rumhampelt und versucht die Stimmung hoch zu halten... bei den Couch-Potatos vor den Bildschirmen.
Was für eine großartige Idee! Wenn man Lust hat, kann man sogar miteinander chatten!
Na dann: Fohes Fest!
Weihnachten ist aber auch die Zeit der Hoffnung und der Wünsche.
Ich weiß schon was ich mir wünschen werde ...
Und euch allen wünsche ich:
Friedliche und glückliche Momente,
die euch an die Schönheit und den Zauber des Lebens erinnern.
Werdet kreativ, lest gute Bücher und Geschichten, hört einander zu …
und schaltet so oft wie es geht die Bildschirme aus.
Eine schöne Adventszeit unf frohe Weihnachten!
Franka Baddura
Dezember 2020
Alle Bilder in diesem Beitrag sind im Dezember 2012, im Kabarett Breschke und Schuch, beim "1001 Weihnachtstraum" entstanden. Fotografiert von Nicole Urban.
Das Titelbild wurde von Falk Milan fotografiert.